EU-BEITRITT BULGARIENS ZUM 1. JANUAR 2007

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Sofia, 31. August 2006

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

Mein Name ist Radostina Galitionova. Diejenigen von Ihnen, die mich kennen, wissen Bescheid über meine und meiner Kollegen Arbeit für die Tiere in Bulgarien; über unsere jahrelangen Bemühungen, eine humane Behandlung der Tiere in unserem Land zu erreichen und die Tötungen der herrenlosen Hunde zu stoppen.

 

Da wir bisher dabei immer unschätzbare Unterstützung von Ihnen erhalten haben, möchte ich hiermit versuchen, Ihnen die letzen Neuigkeiten in Sachen Tierrechte in Bulgarien zu erläutern.

 

Ich gehe davon aus, Sie wissen, dass mit dem Beschluss PD 09-50 vom 24.01.2006 des Ministers für Landwirtschaft und Wälder, die Vertreter der Nichtregierungsorganisationen (NGO) und somit auch ich, als gleichrangige Mitglieder der Arbeitsgruppe miteinbezogen wurden, die mit der Ausarbeitung des Entwurfes zum Tierschutzgesetz beauftragt wurde.

 

An dieser Arbeitsgruppe beteiligten sich ausser uns, auch Vertreter der Nationalen Veterinärmedizinischen Behörde (NVMS), des Ministeriums für Landwirtschaft und Wälder, des Ministeriums für Umwelt und Gewässer, des Gesundheitsministeriums. Nach einigen Monaten harte Arbeit, war der Gesetzentwurf fertig. Im besagten, von der oben genannten Arbeitsgruppe verfassten Entwurf bezogen wir inhaltlich alle erfolgreichen europäischen Praktiken in Bezug auf die Populationskontrolle der Strassenhunde, fügten ein die Kriminalisierung der Tierquälerei und der Tierkämpfe; bezüglich der Strassentiere wiederum sahen wir Kastration und Wiederfreilassung vor; eliminierten den Begriff „Isolator“ und führten an seiner Stelle den Begriff „Tierheim“ ein, als eine Einrichtung, wo die Tiere auch kastriert werden, sahen der Einsatz von mobilen Kastrationskliniken vor, welche für die Ergebnisse der Kastrationsaktionen beschleunigen sollen usw.

 

Leider, trotz unserer Arbeit und unserer gleichberechtigten Teilnahme als Mitglieder der Arbeitsgruppe, wurden wir nun von unseren Sympathisanten informiert, dass den oben genannten Gesetzestext im letzten Augenblick vertauscht worden ist. Wie können wir dies wissen? Dieselben Sympathisanten konnten den ausgetauschten Text heimlich „entwenden“ und auf dieser Weise erfuhren wir, welche Änderungen genau vorgenommen worden waren, nämlich:

 

-          die Programmen zur Kastration und Wiederfreilassung wurden durch Programmen zur Euthanasierung der Hunde nach 7 Tagen (Isolatoraufenthalt) ausgetauscht;

 

-          die Gemeinden werden erneut verpflichtet, Isolatoren, in welchen die Hunde getötet werden, zu bauen und zu betreiben;

 

-          diese Programme zur Euthanasierung werden nur ausserhalb der Jagdgebiete zur Anwendung kommen. Das bedeutet, dass solange sich die Hunde innerhalb der Jagdgebiete aufhalten, die Jäger sie abschiessen dürfen. In Bulgarien sind die Jagdgebiete sehr gross: Ausserhalb der Dörfer in der Nähe von Sofia ist beispielsweise praktisch alles ein Jagdgebiet;

 

-          den Bürger, die in einem Appartement wohnen, wird verboten mehr als 3 Tiere zu halten, egal ob Hunde oder Katzen; jedoch jeweils nur 3 Tiere. Dabei geht es um Eigentums- und nicht um Mietwohnungen oder Häuser – dadurch werden die Rechte der Bürger, ihre eigenen Wohnungen bedarfsgemäss zu nutzen, verletzt;  

 

-          der Einsatz der mobilen Kastrationskliniken wird gestrichen.

 

Letzte Woche (Kalenderwoche 34: 21. – 27.08.06) haben wir einen amtlichen Antrag bei dem Minister für Landwirtschaft eingereicht und baten damit, den Text des Gesetzentwurfes offiziell erhalten zu dürfen, mit der Begründung, dass wir an seiner Ausarbeitung beteiligt gewesen und somit berechtigt sind, eine Kopie davon zu haben. Bisher haben wir noch keine Antwort erhalten und verfügen leider deshalb im Moment über keine offizielle Kopie des geänderten Gesetzentwurftextes.

 

Nebst alldem haben Sie vermutlich bereits erfahren, dass mittlerweile einen weiteren, alternativen Gesetzentwurf ins Parlament eingereicht wurde. Dieses Gesetzprojekt unterscheidet sich vom Projekt unserer Arbeitsgruppe. Dieses Projekt wurde von einer Gruppe von Volksvertretern eingereicht – dies ist ein übliches Vorgehen, da im bulgarischen Parlament jede/r Abgeordnete/r zur Gesetzinitiative berechtigt ist.  Leider ist dieser Gesetztext in grundsätzlichen Inhalten nicht präzise und obwohl er von Vertretern verschiedener politischer Mächte (darunter auch einige Abgeordneten der führenden politischen Koalition in Bulgarien) mitunterzeichnet wurde, wird er hauptsächlich durch die Opposition unterstützt. Dies macht seine Verabschiedung - gelinde gesagt - sehr unsicher, ja sogar unmöglich, hinsichtlich der absoluten Mehrheit der Regierenden. Das Positive dieses Gesetzentwurftextes andererseits ist, dass man ihn dazu verwenden könnte, eine Debatte in der Volksversammlung bezüglich des Tierschutzgesetzes anzuregen.   

 

So wie ich persönlich die Sachlage aufgefasst habe, war dies auch die Absicht der Deponenten, nämlich einen Entwurf zum Tierschutzgesetz rasch vorlegen zu können – nicht aber derzeitig im Parlament befindlicher Entwurf, sondern eher grundsätzlich (einen Entwurf möglichst prompt zur Verabschiedung zu verhelfen).

 

Jedenfalls sollte man orientiert sein, dass dieser alternative Gesetzentwurf zum jetzigen Zeitpunkt nicht einmal die erste Lesung passiert ist.

 

Nun werde ich mir erlauben, auch die derzeitige Situation in Sofia zu beschreiben.

 

Erstmal die guten Nachrichten: Wir verfügen bereits über eine offizielle Genehmigung, die ermöglicht, dass die Hunde im Isolator durch den jeweilig diensthabenden Mediator fotografiert werden dürfen. „Mediator“ ist die Bezeichnung für unsere Vertreter im „Seslavzi“ - so lautet wiederum der Name des neuen Isolators in Sofia. Diese Tötungsanstalt funktioniert seit Anfang 2006, nachdem es Hr. Dimitrov gelungen ist, die alte Einrichtung (Isolator) im Stadtteil „Losenetz“ zu übernehmen. Die Fotos der im „Seslavzi“ eingesperrten Tiere veröffentlichen wir auf einigen bulgarischen Websites und geben auf dieser Weise den Tieren eine Überlebenschance durch neue Besitzer, um so dadurch die Tötung nach 14 Tagen eventuell entkommen zu können.

 

Die kastrierten Hunde in Sofia werden immer noch geduldet; es gibt zwar schon einige Fälle von eingefangenen kastrierten Hunde, jedoch eher selten. So beispielsweise gab es letzte Woche einen Fall mit 3 eingefangenen kastrierten Tieren, die Isolatorangestellten sagten uns, dass dies anhand einer Beschwerde geschehen sei – dies ist jedoch trotzdem kein sonderlich korrektes Vorgehen.

 

Die andere gute Neuigkeit: Der neue Gemeindeisolator im Dorf Seslavzi hat einen neuen Direktor. Dieser Herr ist Tierarzt ist und verspricht, die Lage in der Einrichtung wesentlich zu verbessern. Der neue Direktor soll seine Stelle am 04.09.06 antreten. Da die Dinge in Bulgarien jedoch nicht immer sicher und unmissverständlich sind, werde ich abwarten, bis sein Amtsantritt tatsächlich geschehen ist. Ich hoffe, dass der neue Direktor seine Versprechungen halten wird. Ich übernehme die Aufgabe, Sie entsprechend zu informieren, sobald ich mehr erfahre.

 

Und zum Schluss noch die schlechte Nachricht: Bis zum heutigen Datum – 31.08.2006 – werden in Sofia nach wie vor Hunde getötet (euthanasiert). So ist die Lage fast landesweit und eine Ausnahme stellen nur die Plätzen/Orten dar, wo verschiedene ausländische Tierschutzorganisationen arbeiten.

 

Ich habe Ihnen dies alles erzählt, weil ich der Ansicht bin, dass aufgrund Ihrer positiven Einstellung den Tieren gegenüber und Ihrer wertvollen Hilfe für ihre Sache, das Selbstverständlichste ist, Sie weiterhin auf dem Laufenden zu halten.

 

Freundliche Grüsse

Radostina Galitionova